Der gefangene Leprechaun – Traue keinem magischen Wesen

Der gefangene LeprechaunHeute möchte ich euch eine kleine Gechichte vorstellen, die ich einmal vor Jahren als Schreibübung für den St. Patrick’s Day geschrieben habe. Da sich dieser irische Nationalfeiertag heute wieder jährt, bringe ich den Text hier einmal frisch überarbeitet und lektoriert.

Was für ein wundervoller Tag! Grünes Gras und Kleeblätter wuchsen überall auf der Anhöhe. Joe konnte das laute Fluchen schon aus der Ferne hören, als er sich seiner Falle näherte. »Hey! Hüte deine Zunge!«, rief er. Da sah er ihn auch schon, einen lebenden irischen Kobold, auch bekannt als Leprechaun. Joes Klassenkameraden hatten Recht gehabt, die Falle funktionierte.

»Oh! Guten Tag, junger Herr! Verzeihen Sie meine ungebührliche Sprache. Ich bin versehentlich in diese Falle geraten. Würden Sie wohl die Güte haben, mir herauszuhelfen?«

»Kein Problem!« Joe setzte ein verschmitztes Lächeln auf. »Sobald du mich bezahlt hast.«

»Sie bezahlen? Ich habe kein Geld bei mir!«

»Ich rede nicht von Geld. Du sollst mir einen Wunsch erfüllen!«

»Einen Wunsch? Wer sagt, dass ich das kann?«

»Du bist ein Leprechaun, nicht wahr?«

Die Miene des Kobolds verdüsterte sich. »Okay, du hast meinen Anzug erkannt«, sagte er in gereiztem Tonfall. »Gut gemacht, Junge! Aber irische Kobolde können keine Wünsche erfüllen. Wo hast du das nur her? Aus der Wikipedia?«

»Äh, du kennst das Internet?«

Der Kobold verdrehte die Augen. »Natürlich kenne ich das Internet! Wir leben doch nicht hinterm Mond. Trotzdem können wir keine Wünsche erfüllen!«

»Aber, jeder weiß doch, dass ihr das könnt. Ich habe dich gefangen, und wenn ich dich freilasse, schuldest du mir einen Wunsch!«

»Tut mir leid, du verwechselst das mit einem Dschinn. Diese Kollegen sind allerdings nur sehr schwer zu fangen, wenn du nicht gerade welche findest, die schon in Flaschen abgefüllt sind.«

Joes Miene verdüsterte sich. Seine Klassenkameraden hatten ihn offenbar reingelegt.

»Sag mal, Junge«, der Kobold sprach nun mit sanfter Stimme und setzte einen verständnisvollen Blick auf, »nur mal angenommen: Wenn ich dir einen Wunsch erfüllen könnte, was wäre das für einer?«

»Da ist dieses kleine, rothaarige Mädchen in meiner Klasse. Ich mag sie, aber ständig ignoriert sie mich. Ich wünschte, sie würde sich in mich verlieben.«

»Okay, Junge!« Der Kobold beugte sich so weit zu Joe herüber, wie es ihm möglich war und flüsterte: »Eigentlich darf ich das nicht. Aber ich kenne einen Dschinn, der schuldet mir noch einen Gefallen. Wenn du mich hier herauslässt, werde ich deinen Wunsch weitergeben.«

»Versprochen?«

»Versprochen!«

***

Als Joe am nächsten Tag in die Klasse kam, wollten natürlich alle wissen, wie es gelaufen war. Er erzählte von seinem Fang, während alle mit Begeisterung und aufgerissenen Augen zuhörten. Ganz besonders das rothaarige Mädchen klebte förmlich an Joes Lippen. Den Wunsch behielt er natürlich für sich und zeigte mit dem Smartphone geschossene Fotos vom Kobold. Außerdem berichtete Joe, dass irische Kobolde keine Wünsche erfüllen und die ganze Aktion ein ziemlicher Reinfall war.

Nachdem er seine Geschichte beendet hatte, fiel ihm Mikes neues Hemd auf. Es passte farblich perfekt zu dessen Schultasche und harmonierte wunderbar mit seinen klaren, blauen Augen. Warum sind ihm solche Dinge bisher nie aufgefallen? Noch während das rothaarige Mädchen unbeachtet in der Ecke stand und Joe verliebt hinterherblickte, überlegte er, warum Mike in dem Outfit so wahnsinnig attraktiv aussah …